Schiff des Theseus
Kubanischer Jazz von Interactivo
Kennen Sie das Schiff des Theseus? Um es kurz zu erklären: Es handelt sich um ein philosophisches Paradoxon, mit dem über die Bedeutung von Identität nachgedacht wird. Denn wenn nach und nach alle Teile des Schiffes ausgetauscht werden und am Ende kein einziges Teil des ursprünglichen Schiffes mehr erhalten ist, ist es dann noch das gleiche Schiff – oder ein anderes?
Dieses Paradoxon gilt auch für die Band Interactivo, ist gar ihr Gründungsmythos: Jedes Bandmitglied hat noch eine eigene Band mit unterschiedlichen Stilrichtungen. Und so werden Wandel und Austausch zum Konzept. Es kommen immer wieder andere, neue Musiker*innen zusammen, bereiten ihre eigenen Stücke unter der Regie von Direktor Robertico Carcassés neu auf und stehen mit bis zu 20 Leuten auf der Bühne.
Hip Hop mischt sich mit afrokubanischem Jazz, Rapp, Funk und Flamenco. Junge Künstler*innen verbinden Tanz und Musik, und alle zusammen bindet die kubanische Clave: ein rhythmisches Muster, das die Stücke zusammenhält, Schicht für Schicht überlagert durch die unterschiedlichen Instrumente. Das gibt der Musik ihre besondere Komplexität: drei Schläge im ersten Takt, zwei im zweiten Takt – oder andersherum. Anja Schacht, die (ehrenamtliche) Wuppertaler Managerin der Band, gerät ins Schwärmen, als sie von der Musik von Interactivo berichtet. Nicht nur, weil die Band auf Kuba sehr bekannt und vor allem Roberto Carcassés ein richtiger Promi ist, sondern eben auch, weil die Vielschichtigkeit der afrokubanischen Musik, verbunden mit vielen Genres der unterschiedlichen Musiker*innen immer spannend bleibt.
Seit sich Anja Schacht in die Stadt Havanna verliebt und enge Kontakte geknüpft hat, hört sie fast nur noch kubanische Musik, sagt sie. Und deshalb kennt sie sich auch gut mit der Geschichte der Band aus. Sie erzählt von der schwierigen Situation auf Kuba, davon, dass viele sehr unzufrieden mit dem Regime sind, dass die Planwirtschaft schon lange an ihre Grenzen stößt, trotz guter Ausbildung kaum jemand Geld und viele Menschen Hunger haben. Und dass Roberto Carcassés einmal Auftrittsverbot bekam, weil er bei einem Live-Auftritt im Fernsehen in einer veränderten Textzeile freien Zugang zum Internet forderte, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Erst nach deutlichem Protest vieler Musiker*innen – sogar regimefreundlicher – durfte er wieder spielen.
„Das Regime interessiert sich nicht mehr für die Menschen“, so beschreibt es Anja Schacht. Und deshalb verlassen alle, die es sich irgendwie leisten können, kubanischen Boden. Vor allem die jungen Menschen. Viele ziehen nach Spanien, auch Roberto Carcassés mit Familie. Madrid ist fast zum europäischen Zentrum für kubanischen Jazz geworden. Seit der Corona-Pandemie hat sich die Situation noch verschärft und die Künstler*innen verdienen ungeachtet ihrer ausgezeichneten Ausbildung, ihrer Begabung und ihrer immensen Spielfreude sehr wenig Geld.
Trotz aller Widrigkeiten und obwohl die Bandmitglieder in aller Welt unterwegs sind, kommen sie immer wieder zusammen und treten gemeinsam auf. Mal mit vielen, mal mit weniger Mitgliedern – je nachdem, wer gerade in der Nähe ist.
In die Färberei kommen nach aktuellem Stand fünf der Interactivo-Mitglieder – aber Anja Schacht als inoffizielle Städtepartner-Beauftragte schließt nicht aus, dass spontan noch jemand dazu stößt. Mit einer Mischung aus Improvisation, viel gespielten und ganz neu inszenierten Songs kommen sie dann als Schiff des Theseus nach Oberbarmen gesegelt. „Denn die freien Geister, die jungen Kreativen sind gut vernetzt“, sagt Anja Schacht. „Und das über Grenzen, Zeitzonen und Musikrichtungen hinweg. Heißen wir sie willkommen!“
Tickets für das Konzert der Band Interactivo am Samstag, 31. Mai, um 19.30 Uhr sind über Wuppertal-live.de für 25 Euro und 17 Euro ermäßigt im Vorverkauf sowie für 28 Euro beziehungsweise 17 Euro an der Abendkasse erhältlich. Von der Crossover-Band dabei sein werden Roberto Carcassés, Julito Padrón, Lidia Maria Madruga, Dany Noel und Leonardo Angel.