Nur zufällig hier

Stadtteilspaziergang mit der Mobilen Oase

Menschen überqueren an einem heißen Tag unter Regenschirme eine Straße
Foto: Anja Dreier

Eine „Stadt für Menschen“ – klingt erst einmal selbstverständlich, aber häufig genug sind Städte eben eher menschenfeindlich. Um zu erforschen, wie öffentliche Räume verändert werden können, damit Menschen sich wohlfühlen und die Städte zu lebendigen und lebenswerten Orten gestalten, hat sich nun zum zweiten Mal das Netzwerk Stadtentwicklung NRW getroffen. Im Vordergrund stand der Austausch – und wie ist der besser möglich, als bei einem Spaziergang durch Wuppertal? Während sich vier weitere Gruppen durch den Arrenberg, die Elberfelder City und zu kirchlichen und Problem-Immobilien bewegten, traute sich die fünfte Gruppe in den Wuppertaler Osten vor. In der Exkursion machten Daniela Raimund und Roland Brus erfahrbar, wie sie durch Aktionen im öffentlichen Raum mit den Menschen in Kontakt treten, Begegnungen schaffen und wie wichtig dieser Faktor bei der Städteentwicklung ist. Unterstützung erhielten sie vom Quartierbüro Vierzwozwo, das Ergänzungen aus fördertechnischer und städtebaulicher Perspektive einbrachte. 

 

Von Anfang an ist das Setting der Exkursion besonders: Aufgereihte Stühle in Richtung Bürgersteig, auf dem der rote Teppich und eine Pforte aufgebaut sind, brechen die Strukturen von Publikum und Bühne auf; Passant*innen werden zu Models und Stars, aber gleichzeitig schauen sie ins Publikum, das mit lauter Musik und Wortbeiträgen von Roland Brus und Daniela Raimund durchs Mikrofon auf sich aufmerksam macht. Der Frage, wo Bühne und wo Düne ist, geht die Gruppe schon seit den Anfängen der Oase nach, in denen sie ein Ladenlokal in Wichlinghausen zum Strand umgestalteten.  

 

An diesem Tag gibt es zwar keinen Sandstrand, aber die Frage nach Bühne und Publikum kommt trotzdem auf. Bevor die Reisegruppe sich in Bewegung setzt, brauchen alle gültige Papiere für ihren Aufenthalt im Luftkurort Bad Oberbarmen: Jedes Mitglied der etwa 30-köpfigen Gruppe erhält ein Visum, das auch immer griffbereit gehalten werden muss. Anschließend werden zwischen Tourismuszentrale und Fremdenzimmer Koffer und Stadtteilkarten verteilt – es reist sich besser mit leichtem Gepäck. Unter Regen-, die heute als Sonnenschirme dienen, atmet die Gruppe erstmal die gute Oberbarmer Kurluft ein, kommt an, erspürt den Stadtteil: Zum überwältigenden „Nessun Dorma“ trauen sich manche Oberbarmer*innen, den roten Teppich zur Bühne zu machen. Andere Vorbeigehenden betrachten lieber die Gruppe, die dem Treiben der Berliner Straße zusieht. „Ich hab mir das zwar anders vorgestellt, aber ich finds witzig“, erklärt eine junge Frau, die gespannt darauf ist, was noch passiert. 

 

Nach einer kleinen Erfrischung geht es die Berliner Straße in Richtung Westen hinunter: Erster Halt ist der Wupperfelder Markt, „Klein-Griechenland“, der im Juni schon für das große Fest umgebaut wurde (wir berichteten). Jakob Jentgens in der Rolle eines immer wieder auftauchenden Saxophonspielers begleitet die Erläuterungen zur griechischen Community und dem Bleicherbrunnen mit entspannter Musik. Mit Postkarten, die die Aktionen an den Originalschauplätzen zeigen, vermittelt die Mobile Oase bei jedem Halt ein Bild ihrer Arbeit im Stadtteil. Das Interesse der Netzwerk-Mitglieder an den Postkarten ist groß – sie halten fest, was alles möglich ist. „Da wir jetzt Klein-Griechenland verlassen, bitte die Visa bereithalten.“ Der nächste Halt ist die Immanuelskirche, Wuppertal als Stadt der Sekten und Religionen hat schließlich auch eine spirituelle Seite – außerdem ist hier eine der Fluchtrouten bei Razzien: Durch die Hintertür hauen diejenigen vor der Polizei ab, die möglicherweise nicht ganz legales Glücksspiel betreiben. Hoch geht es zum weniger kriminellen Ort BOB Campus, dessen blühender Garten gleich gegenüber dem Kunst Kiosk liegt, den die Mobile Oase betreibt. Darüber das „Viadukt“, nach römischem Vorbild, wie Daniela Raimund erklärt: „Das ist die Ost-West-Verbindung zur Völkerverständigung“ – auch Nordbahntrasse genannt. 

 

Bergan geht es über die belebte B7 zum Berliner Platz, Angstraum Nummer eins, in den laut Quartiersbüro Vierzwozwo bereits viel Geld geflossen ist – nicht immer an die richtige Stelle. Auch hier war die Mobile Oase schon häufiger am Werk: Bei einer Schnipsel-Lesung mit Zitaten von Stadtteilbewohner*innen gibt es nachdenkliche wie lustige Momente, während Roland Brus das Mikrophon weitergibt, damit alle einen Schnipsel vortragen können. Und dann ruft er auf, um das Trafohäuschen zu gehen: Es wurde in Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine zum Denkmal. Und bei einer Schweigeminute für den Frieden bekommen die Gruppenmitglieder Gänsehaut.  

 

Immer wieder begegnet die Gruppe Menschen, die die Arbeit der Mobilen Oase schon seit Jahren begleiten. Die meisten sind zufällig hier, Saxophonist Jakob Jentgens allerdings nicht, er folgt der Gruppe über das Schönerberger Ufer, vorbei an der Rosenau bis zum Vorplatz der Färberei zurück. Hier verteilt Daniela Raimund Stempel: „Zertifizierte Zukünftigkeit“ – wer die nicht will, ist selbst schuld. Das Team der Mobilen Oase sammelt nun die Koffer wieder ein, auch die Regen-/Sonnenschirme kommen alle wieder bei der Tourismuszentrale an. Trotz der hohen Temperaturen wirkt die Gruppe erfrischt von den vielen Ideen für die Interventionen, Aktionen und Mitmach-Möglichkeiten, mit dem die Mobile Oase den Charakter des Wuppertaler Ostens erfasst und gestaltet. 

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