Die Glückliche Stunde: Land in Sicht 

Eine Performance mit Installationen, Irritationen – und Gedankenstrichen

Menschen sitzen auf Baumstümpfen, haben Rettungswesten an und tun, als ob sie paddeln
Foto: Stefan Fries

Es gibt Stunden, die fühlen sich wie Jahre an, die sind zäh wie Kleister und öde wie Warteschleifenmusik. Dann gibt es aber auch die Stunden, die unbemerkt vergehen wie ein Wimpernschlag. Zu keiner davon gehört die Glückliche Stunde auf dem Vorplatz der Färberei, zu der die Künstler*innengruppe Mobile Oase anstiftet. Denn die vergeht wie im Fluge, hallt aber lange nach. In Worten, in Tönen, in Bildern. 

 

„Wir sammeln Geschichten“, erklären Roland Brus und Daniela Raimund von der Mobilen Oase. „Wir sind auf der Straße unterwegs als Stadtschreiber, wir holen Stimmen ein, Meinungen, Haltungen, Oral History, machen Spaziergänge, Fotos, Pop-Up-Studios.“ Und daraus entstehen Projektionen, Installationen, Irritationen, Begegnungen. Ein Gedankenstrich wie die Glückliche Stunde, in der Ängste, Träume, Erwartungen, Hoffnungen und Überlebensstrategien im Alltag und in schwieriger Weltlage miteinander geteilt werden. Hier betreten Besucher*innen und Passant*innen die kollektive Lesebühne gleich neben der B7, mitten auf dem Bürgersteig.  

 

Oral History – Geschichten aus mündlichen Überlieferungen; das mag kompliziert klingen, doch während der Glücklichen Stunde fällt es leicht, sich dem Schwung dieser 60 Minuten hinzugeben, den vorgetragenen Zitaten zu lauschen, selbst etwas vorzulesen, auf einem Baumstumpf zu sitzen und mit einer Rettungsweste bekleidet und dem Paddel in der Hand gemeinsam in See zu stechen. „Land in Sicht?“ oder „Land unter?“ ist auf dieser Seefahrt die große Frage.  

 

Hin und wieder überprüft Olaf Reitz mit dem Kompass die Richtung, dann gibt Daniela Raimund den Takt fürs Paddeln vor, Goran Milovanovic schaut durchs Fernrohr gen Osten und ganz zum Schluss, nach einer wilden Fahrt über die Untiefen und durch die Stürme des östlichen Wuppertals, vertäut Gisela Kettner das Schiff im sicheren Hafen. Später servieren sie und Adbulrhaman Alasaad den Seeleuten erfrischende Ahoi-Brause. 

 

Und das Gelesene – das Schmerzliche wie das Heitere – hallt nach. Was man auf seine Reise mitnimmt: „Nur mich“, und was man am Horizont erhofft: „Ich suche einen schönen Mann“; es ist eine Reise durch die Gedanken derjenigen, die in Oberbarmen leben und Land in Sicht behaupten, auch wenn gerade Land unter scheint. Es ist eine Stunde, von der die Erinnerung bleibt, dass man auf dem Gehweg direkt neben der B7 gesessen, eine Rettungsweste getragen und mit gut gelaunten Menschen im Takt gepaddelt hat. Dabei sind vielleicht manche Sorgen und Gedanken über Bord gegangen, weil man sich stattdessen zu neuen Ufern aufgemacht hat. 

 

Die Glückliche Stunde ist nur eines der Formate der Künstler*innengruppe Mobile Oase, das mit dem dreijährigen Projekt transit_oberbarmen regelmäßig im öffentlichen Raum auftaucht – mit anderen Installationen, Irritationen – und Gedankenstrichen.  

 

Credits:

Konzept: Mobile Oase. Performance: Abdulrahman Alasaad, Roland Brus, Gisela Kettner, Goran Milovanovic, Daniela Raimund, Olaf Reitz  Ausstattung: Daniela Raimund und Uwe Schorn. Live-Musik: Jakob Jentgens / Saxophon  Interviews und Texte: Roland Brus Mitarbeit Interviews: Abdulrahman Alasaad (Übersetzer) und Daniela Raimund Dokumentation: Fotografie Stefan Fries, Daniela Raimund; Video Uwe Schorn Projektleitung:  Roland Brus & Daniela Raimund Projektkoordination: Uwe Peter

Herzlichen Dank allen Interviewpartner*innen und allen Mitwirkenden der Glücklichen Stunde. Dank an den DLRG Remscheid, Peter Moll vom Wuppertaler Segelclub an der Bever für ihre Unterstützung. 

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