Das war ein Schnapper damals

Historiker Heiko Schnickmann berichtet von der Bedeutung der Färberei schon vor 100 Jahren

Eine Prokuristin während des Nazi-Regimes, ein Dach namens „Englische Laterne“, eine Entnebelungsmaschine für den Arbeitsschutz: Was in der Färberei seit mehr als 100 Jahren passiert, ist schon immer fortschrittlich gewesen. Wie passend, dass hier nun seit drei Jahrzehnten Kunst, Kultur und Gemeinschaft Raum finden. Einen Rundgang durch die Geschichte des Gebäudes macht Heiko Schnickmann, der über die Geschichte des Stadtteils äußerst gut Bescheid weiß.

 

Der Historiker kennt die Färberei schon seit seiner Kindheit, denn er ist in Oberbarmen aufgewachsen. Und heute führt sein Weg zur Arbeit vorbei an dem Gebäude, an dessen Wupperseite noch immer zu lesen ist: „O. Schmitz – Färberei für Seide, Kunstseide und Baumwolle“. Die Nähe zum Wasser war 1923, als das Gebäude gebaut wurde, natürlich noch sehr wichtig, damit in den Räumen die Stoffe gefärbt werden konnten. Hier waren die Arbeiter tätig, unter der „Englischen Laterne“, dem stufenförmigen Dach aus Fenstern, fiel genug Licht auf die Becken und Stoffe. Eine Besonderheit damals; denn zu dieser Zeit entschieden sich die zuständigen Architekten für Luft und Licht, völlig entgegen dem Trend. Die alten Gebäude, die seit der Firmengründung durch Richard Dungs im Jahr 1903 bestanden, waren inzwischen zu klein geworden. Durch das Türkisch Rot bekam das Färben in Wuppertal mehr Bedeutung – und da Richard Dungs sich als einer der ersten auf Kunstfarben spezialisiert hatte, musste die Firma expandieren, berichtet Heiko Schnickmann. Richard Dungs war wohl ein außergewöhnlicher Zeitgenosse: „Er hatte alles auf sich zugeschrieben, sein dekadentes Büro war mit Seidentapeten bestückt, und obwohl er Autos von Citroën im Betrieb einsetzte, fuhr er selbst noch in den 1920ern mit einer goldbeschlagenen Kutsche durch Oberbarmen.“ Von der Tapete ist heute leider nichts mehr zu sehen, auch wenn die Räume von den Mitarbeitenden der Färberei wieder als Büros genutzt werden.

 

Anders aber mit dem Namen Otto Schmitz, der ja wie oben bereits erwähnt noch heute auf dem Gebäude steht: Der Prokurist hatte die Firma nach Dungs‘ plötzlichem Tod im Jahr 1931 für 1400 Reichsmark (das entspricht laut Heiko Schnickmanns Rechnung nicht einmal 10.000 Euro) übernommen. „Das war ein Schnapper damals.“ Wenige Jahre später machte er einige Investitionen: Wie die Entnebelungsmaschine, die für den Arbeitsablauf nicht unbedingt gebraucht wurde, aber dem Arbeitsschutz diente. Ähnlich fortschrittlich war, dass Alma Offermann im Jahr 1942 die Prokura übernahm – und damit mitten im Nazi-Regime als Frau an der Spitze des Unternehmens stand. Zwei Jahre später wurde sie sogar Teilhaberin der Firma. Eine Seltenheit für die Zeit, in der Frauen eher die Rolle der Mutter zugedacht war.

1962 dann wird die B7 ausgebaut, wodurch die umliegenden Gebäude der Firma abgerissen werden müssen – die Teilhaberin und der Teilhaber vereinbaren aber einen Leibrentenbezug mit der Stadt Wuppertal, von dem vor allem Alma Offermann noch viel hat: Sie stirbt erst im Jahr 2003, wodurch sie bei der Eröffnung der Färberei als Kommunikationszentrum 1994 noch dabei sein kann und auch erlebt, dass das Gebäude 1987 in die Denkmalliste der Stadt eingetragen wird.

Das ist noch heute so: Ein historisches Gebäude, in dem schon seit 100 Jahren Fortschrittliches passiert, neue Ideen entstehen und das Wohl der Menschen einen Wert hat.

 

Wer mehr über die Geschichte Oberbarmens lernen will, kann am Sonntag, 8. September, bei Heiko Schnickmanns Führung „Wuppertals East End – Quelle für industriellen Reichtum und neue Handelswege“ mitmachen. Beginn ist um 15 Uhr, Treffpunkt ist der QUGA-Infopoint BOB-Campus (Wichlinghauser Straße 34-38).

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