Auf halber Höhe

Aussichtspunkt Belvedere

Ein Pavillon steht auf einer grauen Fläche, darunter sitzt ein Mann
Foto: Alina Komorek

Der Mai zieht uns raus ins saftige Grün, denn er schickt einige Sommer-Vorboten ins Bergische Land. Und es lohnt sich, sofort vor die Tür zu gehen, wenn es mal einen Moment trocken ist: In Wuppertal weiß man nie so genau, ob nicht doch eines der eindrucksvollen Wolkengebilde einen Regenschauer mit sich bringt. Bei allem Risiko, nass zu werden, hat die Stadt einiges zu bieten: Egal, von wo aus man startet, selten hat man es weit bis zum nächsten grünen Fleck. Noch nicht einmal in Oberbarmen.

Besonders jetzt im Mai wird es Zeit, das Haus zu verlassen und der Welt –Wuppertal – beim Aufblühen zuzusehen. Das geht nirgends besser als an einem der schönsten Aussichtspunkte der Stadt: am Belvedere. Der schlichte Pavillon liegt auf halber Höhe zwischen Wupperfeld und Wichlinghausen, dementsprechend steil ist der Aufstieg. Doch er lohnt sich: Hier oben wirkt Wuppertal unter dem wolkengeschmückten Frühlingshimmel weiter als irgendwo sonst. Zwischen Ost und West spannen sich die Wälder der Höhen über die Wohnsiedlungen. Die Bäume haben ihre frischen Blätter hinausgeschickt, ihre Vielzahl lässt die Wälder in ganz unterschiedlichen Grüntönen beinahe leuchten. Der Kontrast des jungen Grüns zu den feuchten Stämmen sorgt nicht nur gedanklich für frische Luft, sondern ermuntert, mehrere Male tief durchzuatmen. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass jemand durch das bloße Atmen Kopfschmerzen, Sorgen und Winterfrust verabschiedet hat.

Jedes Mal, wenn die kühle Luft in die Lungen einströmt, flicht sich hier oben eine leichte Blütennote ein und lässt an frische Wäsche, Morgentau und Neubeginn denken, an Erinnerungen an den schweren Duft des heißen Sommers und die Frische der letzten Eisnacht. Von hier aus, zwischen den jungen Blüten des Flieders, wirkt der Himmel wirklich wie ein Gewölbe. Und darunter die Stadt: von Langerfeld im Osten bis weit hinter die Uni sieht Wuppertal kaum noch ranzig oder abgerockt, sondern vor allem freundlich aus.

Als wäre hier alles möglich, was woanders sofort scheitern müsste. Als könne man von hier aus die unzähligen Entscheidungen, die beinahe radikale Freiheit der Menschen sehen, die im engen Tal manchmal keinen Platz finden. Der Frühling in Wuppertal bringt alles mit: prallen Fliederduft, flirtende Vogelstimmen, kuschelnde Paare auf der Parkbank, spazierende Senior*innen und chaotische Kinderstimmen. Was der Winter überdeckt, vertrieben, ausgezerrt hatte, bricht nun wieder hervor, lässt sich nicht mehr aufhalten, strahlt mit Präsenz und Pracht.

Pflanzen, Tiere, Menschen: Sie kommen zurück an die Orte, an denen die Weite ihnen Mut macht. Wie hier im Belvedere, auf halber Höhe zwischen Wichlinghausen und Wupperfeld, wo der Frühling üppig den Winter verabschiedet und den Sommer zart willkommen heißt.

 

Übrigens gibt es auch einen barrierefreien Eingang zum Belvedere, für den man lediglich einen Euro-Schlüssel mitbringen muss.

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