Erzählcafé Redefluss

Damit niemand das Reden vergisst

Frau mit aufgeschlagenem Buch blickt in die Kamera

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe 
so müd geworden, dass er nichts mehr hält. 

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 
und hinter tausend Stäben keine Welt. 

 

Die Einsamkeit kann ein Käfig sein, wie ihn Rilke ihn in seinem Gedicht „Der Panther“ beschreibt. Wer einsam ist, blickt vielleicht in eine bedrückende Leere. Wer einsam ist, hat möglicherweise den Zugang zur Welt verloren. Georgina Manfredi holt die Einsamkeit aus dem Käfig, bringt Leben in die Bude und alle zusammen: Zum Erzählcafé „Redefluss“ lädt der Verein Refugio alle aus dem Viertel, die wollen in die Färberei ein, um bei Kaffee und Kuchen ins Gespräch zu kommen. Als Eingangsthema gibt es einen literarischen Anstoß – zum Beispiel das Gedicht von Rilke, das so viele Interpretationen zulässt. Auf diese Weise lernen sich Menschen kennen, die manchmal vergessen zu reden, die sonst nur den Fernseher hören, deren Partner gestorben sind und eine große Lücke hinterlassen haben. Menschen, die mit jedem Montag, an dem sie das Erzählcafé besuchen, ein bisschen mehr aufhören, einsam zu sein. 

 

Auch in den anderen Bereichen unterstützt der Verein Refugio alle, die Veränderung wollen, aber noch nicht wissen, wie Veränderung möglich sein soll: Der Verein ist da, wenn jemand körperliche, seelische oder sexuelle Gewalt erfährt, berät anonym und kostenlos. Mit „gemeinsam statt einsam“ bietet der Verein Ausflüge an, dann geht es ins Apollo Varieté oder TalTonTHEATER. „Wir schenken den Menschen ein ganz besonderes Erlebnis“, sagt Georgina Manfredi. Das war auch bei den Wupperfischen so: Ein Projekt, in dem Kinder schwimmen lernen konnten, ihr Seepferdchen machten, und in dem sogar zwei Schwimmtalente entdeckt und später gefördert wurden. Es gibt Selbsthilfegruppen für Männer und für Frauen, die es aus gewalttätigen Beziehungen geschafft haben und sich seit Jahren treffen. Politische Bildung ist auch ein Thema von Refugio, vor allem für Frauen: Sie sind oft Multiplikatorinnen, müssen ihre Rechte und die Demokratie aber erst kennenlernen, um sie als Werte weitergeben zu können. Und jetzt, kurz vor Weihnachten, geht Georgina Manfredi zum Supermarkt und fragt nach Tüten voller Lebensmitteln, die sie am Berliner Platz an Obdachlose verteilt. In die Schulen geht es außerdem, um dort Schoko-Nikoläuse zu verteilen – so zaubert der Verein Refugio auf viele Gesichter ein Lächeln. 

 

Seit dem Frühling gibt es das Erzählcafé Redefluss – es ist mittlerweile gewachsen, die Nachfrage ist hoch: Manchmal geht es sogar kontrovers zu, man muss nicht unbedingt einer Meinung sein, um ins Gespräch zu kommen. Die Gruppe wird immer größer, und mit ihr das Gefühl, dass Probleme hin und wieder wie Herausforderungen akzeptiert und angegangen werden können – was Georgina Manfredi sehr wichtig ist: „Keine Angst vor Neuem, vor Wachstum.“ Das Konzept hat Erfolg: Manche der Teilnehmer*innen verabreden sich privat außerhalb der Gruppe zu einem Kaffee, um im kleineren Kreis ein bisschen zu quatschen. 

 

Wer das Erzählcafé Redefluss besuchen und die Gruppe kennenlernen will, kann jeden ersten Montag im Monat in der Zeit zwischen 15 und 16.30 Uhr ins Café der Färberei kommen. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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